Wann beginnt die Rückbildungszeit?
Die Postpartalephase beginnt ab Geburt der Plazenta und wird in 3 Abschnitte unterteilt:
Das Frühe Wochenbett= bis zum 10.Tag nach Geburt. In dieser Zeit wird viel geruht und sich von den Strapazen erholt. Die Zeit mit dem neuen Zuwachs wird genossen und die Bindung vertieft. Auch die Gebärmutter bildet sich zurück, etwaige Geburtsverletzungen heilen langsam ab und der Milchfluss wird bei stillenden Frauen eingeleitet.
Das mittlere Wochenbett= Diese Phase beginnt ab der 2. Woche nach Geburt. Organe finden wieder zu ihrer ursprünglichen Größe und an ihren Platz zurück. Sehnen, Bänder, Gelenke und Muskulatur gewinnen an Elastizität und Spannungskraft. Nach einem Kaiserschnitt können diese Prozesse etwas länger dauern und das Spätwochenbett zieht sich über 8-12 Wochen.
Das späte Wochenbett= Beginnt ab der 8. Woche nach Geburt und zieht sich bis zur vollständigen Rückbildung. Wie lange die Rückbildung dauert, hängt von der Frau selbst ab. Jede Frau hat einen anderen Alltag, Lebensumstände, Hilfe, genug Regeneration, ob sie stillt, genug (angepasste) Bewegung in ihren Alltag einbaut und von ihrer mentalen Gesundheit. Bei stillenden Frauen beginnt die vollständige Rückbildung nach dem Abstillen. Hormone sorgen für ein Beenden der Milchproduktion sowie die Entschlackung und Entwässerung.
In dieser Wochenbettphase können die meisten Frauen mit der Rückbildung beginnen.
Bereits im Wochenbett zeigen Hebammen den Müttern angepasste Übungen, die einfach ausführbar sind und nicht überfordern. Denn 6 Wochen nur liegen kommt in den seltensten Fällen in Frage. Der Körper benötigt sanfte Bewegungen und auch Bewegungsreize, um zu regenerieren. Die Muskulatur muss durch leichte Bewegungen wieder lernen, zu funktionieren um auch den Alltag mit dem neuen Zuwachs meisten zu können. Auch für Bauchgeburten gibt es sanfte Bewegungsansetze, um den Blutfluss in Gang zu halten und um Thrombosen zu vermeiden.
Die Rückbildungszeit beginnt im Spätwochenbett, also etwa 6 Wochen nach der Geburt kann mit der Rückbildung begonnen werden, nach einem Kaiserschnitt etwa ab der 8-10 Woche nach Entbindung. Wichtig ist hierbei, dass Geburtsverletzungen wie z.B. ein Dammriss abgeheilt sind oder auch die Kaiserschnittnarbe zumindest äußerlich abgeheilt ist. Ein Kaiserschnitt durchzieht viele Gewebsschichten und ist entsprechend lang und tief, weshalb es sich empfiehlt, länger mit einem Rückbildungskurs zu warten. Im Alltag oder auch während eines Rückbildungskurses kann die Narbe natürlich noch spannen (Bis zu einem Jahr oder länger!). Im Kurs selbst während dann die Übung entsprechend angepasst oder ausgesetzt. Du denkst, nach einem Kaiserschnitt ist ein Rückbildungskurs nicht notwendig? Doch, das ist es. Dein Körper bereitet sich auf eine vaginale Geburt vor, die Belastung auf den Bauch, Rücken, Becken und Beckenbodenmuskulatur ist genauso hoch. Die körperlichen Veränderungen sind dieselben und dieselben Hormone werden produziert. Auch wenn der Beckenboden nicht so gedehnt wird, wie bei einer vaginalen Geburt, ist diese riesige Operationsnarbe eine große Belastung für den Körper. Eigentlich könnte man behaupten, dass diese doppelte Belastung erst recht ein Grund wäre, dem Körper entsprechende Ruhe, Heilung und Regeneration in einem Rückbildungskurs zu gönnen für diese großartige Leistung.
Egal ob Kaiserschnitt oder vaginale Geburt: Du entscheidest, wann du bereit für einen Rückbildungskurs bist. Wenn du dich nach 6/8 Wochen noch nicht danach fühlst, beginne eben eine Woche später (natürlich nur, wenn du dich Möglichkeit dazu hast!) Halte Rücksprache mit deinem Arzt, ob du und dein Körper bereit für einen Rückbildungskurs bist. Die Heilung und entsprechende Bewegung ist wichtig, um wieder einen aktiven Lebensalltag mit Kind zu meistern- der Körper braucht Bewegung und auch entsprechende Bewegungsreize, um wieder zu funktionieren. Gerade nach der Geburt fühlt sich der Körper schwach und noch sehr weich an. Das muss sich natürlich wieder nach und nach ändern, um Verletzungen zu vermeiden und um einen aktiven Lebensalltag meistern zu können.
Was kann passieren, wenn ich keinen Rückbildungskurs besuche ODER ich meinen Körper nach der Geburt zu schnell und zu viel belaste?
Die körperlichen Veränderungen nach der Geburt fordern ihren Tribut und die Rückbildungsphase ist dazu gedacht, den Körper wieder in den Zustand zu versetzen, wie er vor der Schwangerschaft gewesen ist. Ziel in der Rückbildung ist es, die ursprüngliche Funktion, Stabilität, Kraft und Vernetzung zum eigenen Körper wieder herzustellen. Fangen wir bei der Rektusdiastase an: Vielleicht hast du schonmal etwas davon gehört. Denn es beschreibt das Auseinanderziehen der geraden Bauchmuskelstränge, und die bindegewebsartige Platte (Linea Alba) zwischen den Bauchmuskeln vergrößert sich. Diese Faszie liegt unterhalb der geraden Bauchmuskeln und wird von allen anderen Bauchmuskeln (quere und schräge) gebildet. Das alles passiert etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche. Eine RD kann oberhalb des Bauchnabels entstehen, also von der Brustbeinspitze zum Nabel, um den Nabel herum oder unterhalb des Nabels. Das Ziel der Rückbildung ist, diese Lücke im besten Falle zu schließen. Da das oft nicht vollständig möglich und notwendig ist, ist eines der Ziele, Stabilität und Kraft in die Linea Alba zu bringen.
Wenn die Spannung fehlt sowie eine Vernetzung zur Bauchmuskulatur und die Belastung durch Alltag und falsche Bewegungsmuster zu hoch ist, kann dies zu Inkontinenz oder anderen Beschwerden führen (im schlimmsten Falle zu Senkungen, Rückenschmerzen, Becken/Hüftprobleme…) Denn auch der Beckenboden muss gekräftigt werden und bedarf einer Rückbildung. Der Beckenboden ist über seine Faszien direkt mit der Bauchmuskulatur verbunden. Dieser strafft und stabilisiert eben auch den Bauch direkt von innen. Es macht also nur Sinn, sich auch, angefangen im Wochenbett mit sanften Übungen, während der Rückbildung und danach, mit dem Beckenboden zu befassen. Mit den richtigen Übungen und der richtigen Atmung. Bei Alltagstätigkeiten und auch beim Training. Aber auch nicht ständig, exzessiv und isoliert. Hier wieder den Körper als Einheit betrachten und alles mit einbinden.
Wichtig hierbei ist, dass sich eine Inkontinenz oder auch anderen Probleme lange nach einer Geburt entwickeln können. Oftmals auch nach scheinbar normaler Geburt, normaler Regeneration und scheinbar normalen Lebensalltag. Gründe können mehrere Schwangerschaften sein aber auch zu hohe Belastung nach der Schwangerschaft und keiner vollständigen Rückbildung! Eine schwache Körpermitte kann zu ebenfalls zu Rückenbeschwerden führen, da Bauch- und Rückenmuskulatur als Partner sich gegenseitig unterstützen. Fällt einer dieser Muskulaturen aus, übernimmt der andere Part und das kann zu Fehlhaltungen, Schmerzen und Überkompensationen führen.
Wenn sich bereits während der Schwangerschaft (und am besten davor) mit der (Beckenboden-)Gesundheit auseinandersetzt wird, können Spätfolgen minimiert und gar verhindert werden. Spätfolgen einer Schwangerschaft, bzw. das vernachlässigen des Körpers sind sehr gut behandelbar durch geeignetes Beckenbodentraining/Ganzkörpertraining und Physiotherapeuten/Beckenbodenspezialisten.
Der Körper befindet sich nach einer Schwangerschaft in einer Ausnahmesituation und der eigene Körper fühlt sich oft fremd an. Dazu kommt die schwache und schlaffe Körpermitte, die ja nun nach dem riesigem mit Leben gefüllten Bauch leer ist. Dieses neue Gefühl ist natürlich völlig anders, und plötzlich fällt einem auf, was jetzt eigentlich fehlt, was vorher eigentlich immer da war und für wie selbstverständlich man seinen Körper wahrnimmt- bis er nicht mehr vollständig funktioniert. Das fängt beim Husten/Niesen/Lachen und Heben an und hört beim Stuhlgang auf. Das Ziel ist eindeutig: Die Körpermitte von innen heraus wieder aufbauen, kräftigen und stabilisieren.
Was sind die Ziele einer Rückbildung?
Vielleicht hilft dir der Vergleich mit einer Operation: Kreuzbandriss, ein gebrochener Arm oder der Blinddarm wurde entfernt- such dir was aus. Es wird immer geraten, sich zu schonen, zu ruhen, Krankschreiben lassen und auf Sport zu verzichten, bzw. Physiotherapie in Anspruch zu nehmen. Die meisten von uns würden natürlich dem nachgehen!
Und so verhält es sich auch mit dem Verhalten nach der Schwangerschaft! Schonen, ruhen, Elternzeit und auf Sport verzichten, bzw. mit der Rückbildung beginnen, durchhalten, seinen Körper neu Kennenlernen und Verbindung schaffen.
Vielleicht ist dir auch aufgefallen: Das Ziel ist es nicht, abzunehmen und wieder in die alte Jeans zu passen oder von anderen zu hören: „Du bist aber wieder schlank geworden“ oder „Warst du überhaupt schwanger?“ Von außen mag das so sein, was innen los ist, ist aber umso viel wichtiger.
Das Ziel ist, dem Körper wieder Funktionalität zu geben und diesem zu seinem ursprünglichen Zustand zu versetzen. Und wenn dieses Ziel erreicht ist, dann kann mit deinem ursprünglichen Sport weiter gemacht werden. Oder du hast in dieser Zeit deine Leidenschaft für eine Sportart entdeckt. Die Körpermitte muss den Druck von innen standhalten können, sei es durch Sport, hüpfen, niesen oder lachen ohne Schmerzen, Tröpfchenverlust oder Instabilität.
Beckenbodentraining in der Rückbildung sowie Wahrnehmungsübungen bereits im Wochenbett minimieren das Risiko einer Inkontinenz oder anderen Beschwerden, welche häufig nach Schwangerschaften auftreten und das Leben ziemlich beeinträchtigen können. Der Beckenboden arbeitet mit unserer Bauch-Rücken- und Zwerchfellmuskulatur zusammen und diese unterstützen sich gegenseitig und sind maßgeblich für unsere Haltung und Stabilität zuständig.
Der Beckenboden wurde massiv belastet während der Schwangerschaft und Geburt. Die Bauchmuskulatur und Bänder wurden gedehnt, die Haltung und auch die Atmung hat sich dem wachsenden Bauch angepasst und die Füße sind vielleicht etwas größer und breiter als vorher. Natürlich bedarf dies einer Rückbildung! Dein Mama Körper wird nicht wieder der Alte sein- dein Körper ist immer ‚nach der Geburt‘ und das ist doch etwas Wunderbares. Und trotzdem muss wieder zur Normalität gefunden werden.
Gib dir und deinem Körper Zeit. Auch in der Rückbildungszeit gibt es noch einige Umbauprozesse im Körper. Sei es die Hormonlage durch das Stillen oder die Kaiserschnittnarbe, welche die Rückbildung verlängern können. Auch der Alltag einer jeden Frau ist individuell. Niemand kann dir sagen, wann die Rückbildung abgeschlossen ist. Pauschal kann man dies nicht beantworten und ist von Frau zu Frau verschieden. Abhängig von Geburt, Schwangerschaft, Stillen, Geburtsverletzungen, sportliche Betätigung vor und während der Schwangerschaft, Ernährung, Wochenbettpflege, geeigneten Rückbildungskurs und auch die Umsetzung der Übungen zuhause kann eine Rückbildung schneller beendet sein oder länger dauern. Mittlerweile geht man davon aus, dass eine Rückbildung, bzw. die körperliche Umstellung bis zu 1 Jahr oder länger dauern kann und das ist auch völlig ok. Nutzt diese Zeit, um euch auf den Sport vorzubereiten, den ihr gerne machen möchtet. Denn auch nach 1 Jahr nach der Geburt kann nicht von jetzt auf gleich mit Joggen etc. begonnen werden. In diesem Jahr könnt ihr euch auf die Kräftigung der Muskulatur konzentrieren sowie auf die Stabilität und Funktion. Die erste Zeit mit Kind ist schon sehr zeitintensiv, teilweise belastend und anstrengend genug. Sich zusätzlichen Druck durch das eigene Aussehen in dieser Zeit zu machen, kann eher dem eigenen Fortschritt schaden.
Jeder hat die schöne Kugel während der Schwangerschaft bewundert und wie schnell Frauen danach wieder wie vorher aussehen möchten ist leider auch ein gesellschaftliches Problem und auch in den sozialen Medien wimmelt es nur von „bounce back“ Bildern.
9 Monate kommts, 9 Monate oder aber länger dauert es. Gib dem Körper und auch dir diese Zeit. Bilde das Fundament und baue darauf auf, Stück für Stück und nach und nach wirst du dich deinen Vorstellungen annähern, wie dein Körper aussehen soll und welcher Sport am besten zu dir passt.